
In der Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland droht US-Präsident Biden mit dem Ende der Gaspipeline „Nord Stream 2“. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, auf welche Weise das Russland treffen soll. Das Land würde dadurch nicht weniger Gas exportieren. Was steckt also hinter den amerikanischen Bemühungen?
Zunächst einmal geht es ums Geschäft: Die EU, und vor allem Deutschland, soll kein russisches, sondern amerikanisches Erdgas importieren, dass in verflüssigter Form von Tankschiffen geliefert wird. Für den deutschen Verbraucher wäre das nicht begrüßenswert, da eine geringere Menge geliefert und höhere Preise verlangt würden. Dass dadurch der wirtschaftliche Konkurrent Deutschland geschädigt wird, liegt durchaus in amerikanischem Interesse.
Zum anderen profitiert die Ukraine von den Transitgebühren, die für die durch ihr Land verlaufenden Erdgasleitungen gezahlt werden. Aus amerikanischer Sicht ist das vorteilhaft, da so die Ukraine unterstützt wird, ohne dass es die USA einen Cent kostet.
Des Weiteren wäre das Aus für „Nord Stream 2“ ein Erfolg im amerikanischen Bemühen, Deutschland und Russland voneinander fernzuhalten. Seit mehr als hundert Jahren fürchten die USA ein deutsch-russisches Bündnis, wie George Friedman in einem Vortrag ausführte (Video).
Im 20. Jahrhundert war es den USA gelungen, ihre größten Konkurrenten, Deutschland, Russland und Großbritannien, zu besiegen. Seit dem zweiten Weltkrieg steht Deutschland unter amerikanischer Kontrolle. Das britische Empire wurde zerschlagen; seine ehemaligen Kolonien befinden sich zum großen Teil unter der Herrschaft von US-Konzernen. Die Sowjetunion verlor den kalten Krieg und verschwand. Russland wurde in den 1990er Jahren von westlichen Firmen ausgeplündert. Letzteres hat sich inzwischen geändert. Doch dass die USA ihre Vorherrschaft über Europa verlieren, werden sie mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Deutsche und europäische Interessen spielen dabei keine Rolle.