Ukrainekrieg: Die Propagandaschlacht

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Der Krieg der Bilder tobt heftig im gegenwärtigen Konflikt. Nicht immer sind sie echt: Aufnahmen von russischen Flugzeugen über Kiew stammen eigentlich von einer Parade in Moskau. Das Video, auf dem ein ukrainisches Kraftwerk von einer russischen Rakete getroffen wird und explodiert, zeigt tatsächlich die Havarie einer Chemiefabrik in China im Jahr 2015. Weitere Aufnahmen wurden Videospielen oder Filmen entnommen. (Auf einem Video sind kurz zwei Außerirdische zu sehen.) Andere Videos stammen aus Syrien oder Libyen. Ursache dafür mag der Mangel an aktuellen Bildern sein, nach denen die Redaktionen nun einmal gieren. Die Beispiele zeigen jedoch, dass wir endgültig im Zeitalter des „Infotainment“ angekommen sind, in dem die Fakten eine Nebenrolle spielen. Mitunter wird gleich ganz auf sie verzichtet.

Das Feindbild ist jedenfalls klar: Die Bild-Zeitung liefert unermüdlich Schlagzeilen wie „Putin-Raketen auf Frauen und Kinder“, „Putin: Gezielte Angriffe auf Zivilisten“, „Russen vor Sturm auf Kiew – ‚Keine Gnade für Kinder und Frauen’“, „Tausende Ukrainer ermordet“. Zwischendurch wird immer wieder die Frage nach Putins Gesundheits- und Geisteszustand aufgeworfen; er wäre irre, durch Long-Covid verwirrt oder im besten Fall unberechenbar.

Neben dem abgrundtief Bösen muss es auch einen strahlenden Helden geben. Im vorliegenden Fall ist das der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Gleich zu Beginn des Krieges wurde ihm die Gelegenheit gegeben, das Angebot, in die USA auszureisen, medienwirksam abzulehnen. Es wurden Fotos veröffentlicht, auf denen der Präsident in Schutzweste und Tarnkleidung an der Front zu sehen ist. Dass diese Fotos während eines Truppenbesuchs im letzten Jahr angefertigt worden sind, stört dabei kaum jemanden.

Propaganda allein funktioniert jedoch nicht. Der Altmeister der Propaganda Walter Lippmann schrieb dazu: „Ohne Zensur ist Propaganda im strengen Sinne nicht möglich. Um Propaganda richtig anzubringen, muss eine Schranke zwischen Öffentlichkeit und Ereignis errichtet werden.“

Das geschieht einerseits durch die Diskreditierung derer, die eine differenzierte Darstellung fordern. So schreibt Julian Reichelt in einem Gastbeitrag: „Der Kreml und sein gigantischer Geheimdienstapparat hat uns in den letzten Jahren nahezu widerstandslos unterwandern können, […] ein gewaltiger Sieg der Desinformation für Wladimir Putin. […] ‚Deutschland und Russland ging es historisch immer am besten, wenn die Länder eng zusammengearbeitet haben’, war so ein im Kreml gefertigter Propagandasatz, der in öffentlich-rechtlichen Talkshows Millionen und Abermillionen Menschen eingepflanzt wurde.“ Im Zusammenhang mit Reichelts Beitrag sei auf die Tatsache verwiesen, dass die USA seit mehr als hundert Jahren eine deutsch-russische Zusammenarbeit als das größte Hindernis für die globale amerikanische Dominanz betrachten (Video).

Die eigentlichen Zensurmaßnahmen gehen von staatlichen Institutionen aus. In Russland dürfen die Medien den Krieg in der Ukraine nicht als Krieg bezeichnen. Auch „Angriff“ und „Invasion“ sind tabu. Die vorgegebene Bezeichnung ist „Spezialoperation“. Betrachtet man die übliche Definition eines Krieges („organisierte Gewaltanwendung zwischen zwei oder mehr Parteien, von denen mindestens eine aus regulären Streitkräften besteht“), kommt man nicht umhin festzustellen, dass es sich genau darum handelt. Wozu also die offizielle Sprachregelung? Wie es scheint, haben russische Soldaten bzw. ihre Angehörigen im Kriegsfall höhere Versorgungsansprüche gegenüber dem Staat. Für das Verbreiten von Falschnachrichten oder die „Verunglimpfung der Armee“ können nun in Russland mit bis zu fünfzehn Jahren Haft bestraft werden. Der staatlichen Willkür gegen unliebsame Medien sind damit kaum noch Schranken gesetzt.

Wie sieht es im gelobten Westen aus? In der Tschechischen Republik, Mitglied der NATO und EU, drohen Bürgern bis zu drei Jahre Haft, wenn sie in sozialen Medien das russische Vorgehen verteidigen. „Russia Today“, inklusive des deutschsprachigen Ablegers RT DE, wurde in der EU gesperrt. Selbst in angeblich zensurfreien Plattformen wie Telegram oder Gettr ist RT nicht mehr abrufbar. (Einzig die Videoplattform Odysee hat sich dem Boykott nicht angeschlossen.)

Bei der Betrachtung des Themas fällt auf, dass sich die westlichen Medien verhalten, als befänden wir uns im Krieg gegen Russland. So heißt es unverblümt in einem Kommentar in der FAZ: „Neutralität verbietet sich.“ Bei Contemplator.de ist man anderer Ansicht. Die neutrale, ausgewogene Berichterstattung ist nicht zu ersetzen; schon gar nicht durch gutgemeinte oder hasserfüllte Beiträge.

Letztere führten bereits zu unerfreulichen Erscheinungen. In deutschen Krankenhäusern weigert man sich, russische Patienten zu behandeln. In Supermärkten werden russische Waren aussortiert. Russischstämmige Bürger werden beleidigt, bedroht und angegriffen, ihre Kinder in der Schule gemobbt. Russische Läden werden beschmiert und zerstört. Russische Künstler, die sich nicht deutlich von Putin distanzieren, verlieren ihre Engagements, wie z. B. der Dirigent Valery Gergiev oder die Opernsängerin Anna Netrebko. Es wird dauern, diese Gräben wieder zuzuschütten.